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Verse und Fabeln II
Die Mäuse
und die Eule (Eine Fabel von La
Fontaine, 17. Jahrhundert)
In einem hohlen Stamm, in
tief durchwühltem Loch Wohnten, mit andrem Volke noch, Viel
Mäuse ohne Fuß, vor Fett kaum anzusehen. Der Vogel nährte
sie mit Haufen Korns; doch war Durch seinen Biß vorher
verstümmelt ihre Schar. Die Eul hat's klug bedacht, das muß man
zugestehen. Denn wenn der Kunde sonst Mäuse gefangennahm, Waren
sie aus dem Loch oft wieder ausgerissen; Dem abzuhelfen, macht der Schelm
sie alle lahm. Nachdem er ihnen erst die Beine abgebissen, Konnt er
nach Herzenslust, wenn's ihm Vergnügen macht', Heut die und morgen
jene speisen.... |
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( Fabeln
von G.E. Lessing, 18. Jahrhundert)
Die Eule und der Schatzgräber
Jener Schatzgräber war ein sehr unbilliger Mann.
Er wagte sich in die Ruinen eines alten Raubschlosses und ward da gewahr, dass
die Eule eine magere Maus ergriff und verzehrte. "Schickt sich das", sprach er,
"für den philosophischen Liebling Minervens?"
"Warum nicht?"
versetzte die Eule. "Weil ich stille Betrachtungen liebe, kann ich deswegen von
der Luft leben? Ich weiß zwar, dass ihr Menschen es von euren Gelehrten
verlanget - -"
Der Adler und die Eule
Der Adler Jupiters und Pallas Eule stritten.
"Abscheulich Nachtgespenst!" "Bescheidner, darf ich bitten. Der
Himmel heget mich und dich; Was bist du also mehr, als ich?" Der Adler
sprach: Wahr ists, im Himmel sind wir beide; Doch mit dem Unterscheide:
Ich kam durch eignen Flug, Wohin dich deine Göttin trug.
Kauz und Adler
Als die Vögel einen Kauzen aushöhnten,
sagte ihnen ein zuschauender Mensch: "Dem Adler, dem Adler solltet ihr euren
Unwillen also zeigen!" Die Vögel erwiderten: "Wir wissen wohl,
daß der Adler viele von uns frißt; aber wir verspotten den Kauzen
nicht, weil er uns frißt, sondern weil er wie ein Narr Augen macht, wenn
er uns anschaut."
Die Vögel hatten recht. Es kann jemanden, der
weiß, was die Augen im Menschenkopf bedeuten sollen, nichts Widrigeres
sein, als von jemand mit Nachteulenaugen angeguckt zu werden
Pestalozzi, 1746-1827
"Unverschämter! Stiehlst du nicht Kirschen
am hellen lichten Tage, vor den Augen aller? O! schreckliche Frechheit!" so
rief eine Eule einem Sperling zu, der sich auf einem Kirschbaum gütlich
tat. "Freilich ist es edler", erwiderte der Sperling, "bei Nacht, wenn alle
Tiere sorglos schlafen auf Mord und Raub auszugehn."
Novalis,
1772-1801 |
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Der Adler und der
Uhu.
König Adler hatt' einmal Einen Uhu zum
Minister: "Lieber Alter«, fragt' er ihn, " Welcher Meinung ist
Er: Dulden wir die Nachtigall, Die nichts kann, als singen?"
"Jeden, welcher sonst nichts kann, Rath' ich umzubringen!« "
Diesem Bluthrath, ausgeführt, Folgte dumpfes Aechzen, Und im Lande
hörte man Nur noch Raben krächzen!
Johann Wilhelm
Ludwig Gleim, 1719-1803 |
Die
Eulen
Versteckt in schattenschwarzen Bäumen
Die Eulen sitzen, götzengleich , Nur ihre Augen glühen
bleich; Sie sinnen vor sich hin. Sie träumen.
So warten reglos
sie und still Auf jene schwermutvolle Stunde, Da - biegend erst der
Sonnen Runde - Die Nacht einbricht und herrschen will.
Ihr
Trachten mag den Weisen lehren, Auf dieser Welt nichts zu begehren, Den
Lärm zu meiden und die Hast; Der Mensch, den Schatten schon erregen,
Empfindet immerfort als Last, Dass seiner Unrast er erlegen.
Charles Baudelaire: Die Blumen des Bösen |
Die
Eulen
Unter des Tanns schattendem Dach Sitzen in Reihn
Eulen gebannt, Gottheiten gleich fremd diesem Land, Glühenden
Augs. Sie denken nach.
Bleiben in Ruh, regen sich nicht Bis zur
herzzehrenden Zeit, Da in des Lichts Todeinsamkeit Herrscherlich ein
Dämmerung bricht.
So lehren die Weisen den Schluß,
Daß er allhier fernhalten muß Drängende Gier,
jähe Bewegung. Immer vertreibt das Paradies Ihn, den berauscht
Schattenbilds Regung Und drum ein Wunsch aufbrechen ließ.
Charles Baudelaire, 1821-1867 |
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