Kalender 2006 - März

Am anderen Ende der Welt schmolz gerade der Schnee. Zaghaft erwachte der Frühling und stimmte mit seiner pastellenen Blütenpracht alles Leben heiter. Es schien, als zauberte der Urquell des Wachsens jedem Wesen ein Lächeln ins Antlitz. Selbst die Tiere der Nacht blinzelten jetzt länger in den mild?sonnigen Tag.

Im immergrünen Land unter der weißen Wolke hatte nächtens der kleine Buschkauz Ninox das Palaver der großen Buscheulen belauscht, Sie erzählten sich die alte Legende von Novatrix und befragten einander, ob die Zeit für die Rückkehr des letzten Weisheitskorns endlich reif sei. Aber keine wusste es genau zu sogen. So riefen die Buscheulen den uralten Mondgott Thoth an: "Wohuhp, wohuph, Gott der Weisheit, Wächter der Sterne und Herr über die Zeit, sage uns, was zu tun ist, denn es beunruhigt uns, dass die Menschen nicht noch Weisheit fragen." Aber Thoth sandte ihnen keine Zeichen. Vielleicht war seine Wahrnehmung getrübt, weil sich schon ewig niemand mehr für ihn interessierte.

Ninox grübelte also an diesem Morgen über die Frage der großen Buscheulen. Dabei wurde ein Gedanke in ihm immer lauter: Bei einer Flugreise über die Kontinente könnte man es herausfinden, ob der Zeitpunkt gekommen sei. Aber könnte er die Weltenmeere überqueren? Von NeuseeIand bis Australien ist es nicht weit. Das könnte er womöglich mit etwas Training schaffen. So flog der kleine Kauz aus dem Regenwald hinunter zur Küste und sah den großen Albatrossen und Sturmvögeln zu, wie sie über der Brandung des Pazifiks mit dem Wind hoch über der Weite des Ozeans segelten. Er wusste, nur von ihnen konnte er den weiten Flug lernen, denn auf dieser Insel konnten die Vögel des Waldes keine Feinde und waren so lieber zu Fuß unterwegs.

Jeden Tag flatterte Ninox nun den Strand entlang. Endlose Kilometer. Mit dem Wind kam er bald weiter, als er je geflogen war. Gegen die scharfe Brise aber stand der kleine Vogel in der Luft auf der Stelle und stürzte gleich darauf wie ein Stein zu Boden. Mutlos lugte er dort ziemlich derangiert aus den Federn. Ein Sturmvogel holte die eigenwilligen Streckenflüge der kleinen Eule beobachtet und sich gewundert. Schließlich trieb ihn die Neugier zu dem seltsamen Bruchpiloten: "Was treibst du für ein zerstörerisches Spiel?" Ninox sortierte sich und stammelte respektvoll: "Ich muss zu Erkundungen hinüber noch Australien." Der Sturmvogel kicherte herablassend: "Du Winzling?"

Ninox schaute etwas ratlos unter seine kleinen Flügel. Längst wusste er, niemals könnten sie ausreichend Wind für ein endloses Gleiten unter sich versammeln. "Aber es ist eine wichtige Mission", trotzte er dem Spott. Das rührte den großen Vogel an: "Musst du sie allein vollbringen?" Ein knappes, über eigensinniges "Nein" war die Antwort. Ninox staunte nicht schlecht, als er den Sturmvogel sogen hörte: "Na, dann wirst du vielleicht meine Hilfe brauchen? Du könnte ja auf meinem Rücken mitreisen."

Die großen Augen des kleinen Buschkauzes wurden noch größer, als sie eh schon waren. Und sie leuchteten vor Freude, so könnte sein Plan wirklich gelingen. In da nächsten Vollmondnacht war es soweit ?