Eine Eulengeschichte - Teil 12

Gedehnte Zeit

Der Zauber, den die Eulen gerufen hatten, breitete sich langsam aus. Immer mehr Menschen verstanden die Signale, die von jenem Wald ausgingen. Natürlich war das Schmelzen der Gletscher nicht sofort zu stoppen. Aber die Wahrnehmung setzte bei den Menschen ein Denken frei, das die Rettung der Natur als fundamentales Lebenselixier zum obersten Gesetzt des Planeten erklärte. Und nicht nur bei den Menschen zeigte der Zauber seine Wirkung. Auch auf den Prachtpfaden des Waldes spürte man den Wandel. Es war, als hätten alle rivalisierenden Tiere die Ellenbogen oder Stacheln eingezogen und als würde sich die Zeit dehnen. Stress und Hatz lösten sich auf wie Herbstnebel in der Sonne. Bald schon flanierten auch die alten Waldwesen wieder auf den Bummelmeilen des Waldes. Mehr noch, die Jungen behandelten sie fortan respektvoll, hatten sie doch seit jener Zaubernacht manche Frage - besonders an die ergrauten Eulen. Der Mäuserich wippte indes vergnügt auf seinem eichenen Lieblingsast und beobachtete das gelassene Kommen und Gehen. Irgendwie war er doch der stille Held dieser Veränderung, dem nun so manches einst coole Waldwesen nacheiferte. Denn seit der Mausepelz den Uhu wegen der Gletscherschmelze zu jener geheimen Versammlung animiert hatte, war sein Leitspruch "Weise sein ist schick!" bei den Halbstarken ernsthaft angesagt. Alle musikalischen Ohrstöpsel hatten plötzlich Pause, denn die Jungtiere spürten riesigen Gesprächshunger. Der schwoll zunächst zu unversiegbarer Neugier an. Was Wunder. Wer spürt, dass er Teil eines magischen Ortes ist, will wissen, was er selbst vermag. Wenn nötig, auch ohne magische Zeichen. So verschwanden die leeren, teilnahmslosen Blicke der Heranwachsenden, und die Tiere des Waldes lebten von nun an wieder einander zugewandt und begaben sich somit auf eine glückreiche Lebensreise.