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Verse XI
Der Uhu und die
Fledermaus
Gehüllt in seinen krausen Schleyer
Saß einst auf seinem Klosterdach Ein Uhu, sann in stiller Feyer
Der Quadratur des Zirkels nach, Und orgelte mit dumpfer Kehle Just
sein entzücktes Hevrika! Als eine Speckmaus in der Höhle Des
Glockenthurms, den Cynthia Versilberte, vom Durst der Seele Nach Licht,
gedrängt, ihr Nest verließ Und auf das Dach herunter tauchte.
Er packte sie so fest beym Vließ, Daß sie nur einen Druck
noch brauchte Um todt zu seyn. Was! rief er aus, Darf eine
schnöde Fledermaus Die Zirkel Archimeds zerstören? Stirb,
Frevlerin! - das Mäuschen schrie: Gestrenger Herr! laß meine
Zähren Im Namen der Philosophie Dich um Barmherzigkeit
beschwören! Auch meinen Geist beschäftigt sie; Mein Auge
späht den Gang der Sphären: Kurz ehe mich dein Zorn geschreckt,
Hab ich im Bild des kleinen Bären Heut einen neuen Stern entdeckt.
- Ich sehe wohl, wir sind Collegen! Versetzt der Kauz, nun,
meinetwegen! Schon dieser Titel reitzet mich, Der Facultät zu
Ehren, dich In meinen Magen zu begraben: Du weist ja, daß zu
aller Zeit Die Philosophen ungescheut Einander aufgefressen haben.
Gottlieb Konrad Pfeffel (1736 - 1809) |
Die Nachtigall und die Eule
Eine Nachtigall im
dichten Erlenbusche sang dem lichten, Schönen Abendstern ihr Lied.
Deß ereifert sich die Eule In dem alten Kirchenthurm, Und
ihr fürchterlich Geheule Prophezeihte nahen Sturm.
"Weißt du nimmer denn zu schweigen? Sieh, am Horizonte
steigen Wetterwolken schwarz und schwer. Lerne von mir Sturm zu
wittern; Lerne vor Gefahr zu zittern; Immer näher kommt sie
her.«
Liebe Eule, sprach bescheiden Die vergnügte
Sängerin: Lehrtest du Gefahr vermeiden, Ja so würd' ich dich
beneiden Um die Augen, um den Sinn, Die Gefahr von weitem spähen.
Aber sie schon fern zu sehen, Und nicht wissen zu entfliehn - - -
Nein, laß mir den leichten Sinn, Laß mich singen immerhin;
Kommt sie näher, will ich schweigen Und verbergen mich in Zweigen,
Bis dem grünen Flurenzelt Sich der Himmel wieder hellt.
Karoline Rudolphi (1754- 1811) |
Die Schwalbe und die
Eule
"Ich habe auf meine Reisen
die halbe Welt gesehen und bin reicher an Erfahrung als alle Vögel",
sprach die Schwalbe zur Eule. "Wie kommt es, dass man deine Weisheit
rühmt, obwohl du im Dunkeln sitzest und kaum deinen Felsen verlässt?"
- Ich sehe am schärfsten mit geschlossenen Augen und meine Gedanken
reichen weiter als deine Flügel!", antwortete die
Eule.
(Fabel, Anonym) |
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Einsam steh`n des öden
Tempels Säulen,
Efeu rankt am
unverschlossenen Tor, Sang und Klang verstummmt, des Uhus Heulen
Schallet nun im eingestürzten Chor. Weg sind Prunk und alle
Herrlichkeiten, Schon enteilt im langen Strom der Zeiten Bischofshut und
Siegel, Ring und Stab In der Vorwelt offenes Grab.
Nichts ist
bleibens, alles eilt von hinnen, Jammer und erhörter Liebe Glück.
Unser Streben, unser Hoffen, Sinnen Wichtig nur für einen
Augenblick. Was im Lenz wir liebevoll umfassen, Sehen wir im Herbste
schon verblassen, Und der Schöpfung größtes
Meisterstück Sinkt veraltet in den Staub zurück.
Kanzleiakzessit A.A.Hermann (1810) Gedicht über
das Kloster Paulinzella/Thüringen |
Auf den Kauz
Wer sagt, daß Meister Kauz Satiren auf mich
schreibt? Wer nennt geschrieben das, was ungelesen bleibt?
Lessing (Sinngedichte) |
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Merops
"Ich muß dich doch etwas fragen", sprach ein junger
Adler zu einem tiefsinnigen grundgelehrten Uhu. "Man sagt, es gäbe
einen Vogel mit Namen Merops, der, wenn er in die Luft steige, mit dem Schwanze
voraus, den Kopf gegen die Erde gekehrt, fliege. Ist das wahr?" "Ei nicht
doch!" antwortete der Uhu; "das ist eine alberne Erdichtung des Menschen. Er
mag selbst ein solcher Merops sein, weil er nur gar zu gern gen Himrnel
erfliegen möchte, ohne die Erde auch nur einen Augenblick aus dem Gesichte
zu verlieren."
Lessing, Fabeln |
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