Kalender 2006 - Juli
Über Attika schien ein großer, runder Mond so hell,
dass das Meer vor Piräus silbrig an Land schwappte. Der Steinkauz Cuderus
war mondsüchtig und deshalb besonders agil in dieser Nacht. Er flog
hinüber zu dem dürren Pinienwäldchen, um die plauderfreudige
Waldohreule Risuna zu treffen. Er war ihr im Morgengrauen eine Antwort schuldig
geblieben. Während der Eulerich wellenartig dahinschwebte, grübelte
er noch: Was denn nun wirklich Weisheit mit Geld zu schaffen habe? Solche
Fragen stellten ihm die Eulenfrauen immer, wenn sie auf seinen Ahnherren
anspielten, der das Rückbild einer alten Münze zierte. Berühmte
Verwandte sind manchmal eine Last. Risuna lächelte bis in die Spitzen
ihres Federkranzes, als sich Cuderus bei ihr einfand. "Na mein Guter, hast du
dich rechtschaffend bedacht," säuselte sie spitzfindig. Der Kauz duckte
sich wie ein mürrischer Kobold und schwieg. Das gefiel der Eulendame gar
nicht, daher schmeichelte sie ihm: "Ich weiß ja, dass dein Vorfahr
Liebling unserer griechischen Weisheitsgöttin Athene war. Auch, dass diese
Vorliebe unsere ganze Sippe zu Weisheitsvögeln adelte. Eine schöne
Fügung. Geradezu göttlich. Aber bis heute finden sich Eulenbilder auf
den Silberdrachmen, da muss man doch mal fragen dürfen ..." "Schon gut,"
unterbrach sie Cuderus. "Erzähl mir nicht, was ich schon weiß!" Er
strich sich bedächtig über sein Haupt und stellte seine
schwefelfarbenen Augen scharf: "Ich denke, schlussendlich schöpfen die
Menschen aus der Pflege der Weisheit auch Reichtum. Wenn einer aus seinem
Wissensschatz heraus erkennt, dass beispielsweise eine üppige Olivenernte
heranreift, sollte er alle Ölpressen aufkaufen. Kommt dann die Ernte, wird
er reich, weil die Bauern nur mit seinen Pressen ihre Oliven in Öl
verwandeln können. Verstehst du, was ich meine?" Risuna verstand. Doch
etwas anderes vernahmen gerade ihre Sinne. "Jemand ist im Anflug,"
flüsterte sie. Und schon wippte Facilius auf dem Ast neben ihnen.
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