Das Eulenquartett hatte Glück, denn der Wind über dem
offenen Meer hatte das gleiche Reiseziel. Um der Kälte zu trotzen, hielten
sie sich dicht beieinander, dass es aussah, als flöge da nur ein einziges,
großes Wesen. Uferlos, tage? und nächtelang. An einem Morgen unter
blanken Himmel erreichten sie das weiße Land im ewigen Eis. Gigantische
Tafelberge empfingen die Eulen im Silberglanz. Geblendet von der Pracht,
kneistete Adventus mit seinen dunklen Augen, die auf die Leinenkarte gerichtet
waren: "Wir müssen noch sehr weit. Bis zum Pol der der
Unzugänglichkeit. Das ist der Punkt der Antarktis, der am weitesten
entfernt von der Küste liegt!" "Unzugänglich ? hm, das gilt nur
für laufende, wir fliegen ja", ermunterte Jurando seine Gefährten.
Und wirklich, sie kamen gut voran. Denn während der Frost die
nördliche Welt umklammerte und nur die Freude auf das Weihnachtsfest die
Dunkelheit erhellte, war es hier gerade Sommer. Dabei nicht wirklich warm, aber
erträglich. Lange waren die Eulen noch unterwegs. Erst am Silvestertag
erreichten sie den anvisierten Ort. "Und nun", fragte Nuntius in die Runde.
"Wonach sollen wir suchen? Nach einer Grotte, einem Berg, einer Höhle?"
Sie durchspähten die blendende Weite. "Seht doch, dort, vor dem lichten
Bogen über dem See hockt eine Schneeeule", rief Aventus. "Vielleicht
weiß sie Näheres."
Clarus hatte die exotischen Verwandten
längst ausgemacht. Aber der Weise vom Grat wartete geduldig, worauf er
sein Leben lang gehofft hatte. Der alte Schatzwächter hatte keine
Nachkommen und war deshalb schon sehr in Sorge, wem er am Ende seiner Tage das
Geheimnis anvertrauen könnte. Nun nahte seine Erlösung, und ein
mildes Lächeln schönte Clarus für diesen Augenblick. Er strahlte
derart, dass die Eulengesandten sogleich wussten ? wir sind angekommen. Deshalb
verneigte sich Adventus vor Clarus förmlich: "Seid gegrüßt,
weißer Gevatter! Wir sind die Eulen, die gekommen sind, den Menschen das
allerletzte Korn der Weisheit zurückzugeben. Kann es sein, dass du sein
Wächter bist?" Clarus verneigte sich ebenso würdevoll, und wedelte
daraufhin wortlos den schneebedeckten Eistropfen frei. Der funkelte still sein
lichtes Lied des Lebens.
Dann fiel alle Lost von den Eulen ob. Sie
umarmten einander, lachten und tanzten vor Freude. Und die Tiere der
Nachbarschaft wunderten sich. Alle kamen, um den Grund der ansteckenden
Heiterkeit zu erfahren. Clarus durfte endlich sein Schweigen brechen. So
erzählte er von Novatrix, Heri, seiner Schatzwache, und Adventus besprach
die große Mission der Eulen.
Darüber neigte sich das Jahr,
und ein neues Zeitalter begann. Jeder spürte, es würde ein weises,
lebenswertes sein. Noch aber hatten die Eulen ihr Werk nicht zu Ende
geführt. Doch es kam, wie vorgenommen. Von Eulenvogel zu Eulenvogel
wanderte das Korn durch die halbe Welt seinem neuen Hort entgegen. Dort wohnt
es nun in einem kindlichen Wesen und wächst leise und gut beschützt
durch die Zeit Denn in den hohen Baumwipfel jenes Waldes wachen noch immer die
Eulen. |