Die Eule
Morgentau
In Rammelsberg, im Oberharz, da wohnte einst ein
strenger Meister. Die Weste weiß, die Seele schwarz, im Bunde
war'n mit ihm die Geister. Sie waren böse, denn sie machten
Bergmeister Hermann völlig irr, worüber sie noch höllisch
lachten für sowas hatten sie Gespür.
Der Meister
ließ die Bergleut' schuften zehn Stunden täglich, einerlei.
Er selber hielt mehr vom Verduften, die Arbeit, dacht' er, macht nicht
frei. Wenn mal ein Bergmann Schmerzen hatte, so musste er zur Arbeit
gehn. Der Meister schimpfte: "Freche Ratte!" Und ließ den Mann im
Regen stehn. Blieb gar ein Bergmann krank zu Haus, so durft' er
dafür bitter büßen Der Meister schmiss ihn sogleich raus,
das mit den allerbesten Grüßen. Den bösen Geistern dies
gefiel, das war so ganz in ihrem Sinne. Denn Bosheit blieb ihr
höchstes Ziel, damit der Teufel stets gewinne. Wenn eine
Bergmannsfrau dann starb, konnt' nicht ihr Mann zum Friedhof gehen. Er
durfte nicht mal an ihr Grab, Wer war bereit, das zu verstehen? Der
Meister fluchte noch und sagte "Du musst zur Arbeit gehen, Mann!" Und
wenn der Witwer dies beklagte, warf ihn der Meister raus sodann. Als
einmal alle warn zusammen bei schwerer Arbeit tief im Schacht, da taten
sie den Chef verdammen in ihrem Elend, in der Nacht. "Der Berggeist
soll den Meister holen der hat's verdient, das ist ganz klar. Verflucht
sei er samt seiner Kohlen, ja, ohne ihn wär's wunderbar!"
Der
Meister prüfte Lagerstätten um die Erträge zu erhöhn.
Er liebte den Profit, den fetten, ließ sich in dem Gelände
sehn. Als er dann müde von der Suche, legt er sich auf die Wiese
hin und träumte, dass er schnell verbuche den
allergrößten Berggewinn. Seht da, ein feines Blümlein
reckte aus bunter Wiese seinen Kopf und wuchs und wuchs, bis es
entdeckte der böse Meister, dieser Tropf. Als nun der Meister
jäh erwachte aus seinem Traume im Revier, brach er die Blume, weil
er dachte, dies schöne Blümlein gehört mir.
Kaum
hatte er sie abgebrochen, erschien die Eule Morgentau, hatte der Braten
gleich gerochen, fragte den Meister streng und schlau: "Weißt du
denn nicht, dass nur ein rechter, ein guter Mensch das Blümlein
bricht?" "Du Eule, ich bin doch kein Schlechter, die Frage hat doch
kein Gewicht." Die Eule sprach: "Die Bergleut schelten, du schindest
alle Tag für Tag." "Die Bergleut' wollen bloß was gelten,
und niemand gute Arbeit mag. Im übrigen", so sprach der Meister,
geh ich zur Kirche, das ist wahr ..." Da lachten alle bösen
Geister. War dieser Schelm nicht sonderbar? "So folge mir", bat nun die
Eule. "vergiss die schöne Blume nicht!" und schaute, dass sie noch
verweule, denn Hasten, nein, das lag ihr nicht. Der Meister rollte mit
den Augen und dacht' "die hat nen Schatz für mich. Mag sein, dass
Eulen doch was taugen, wenn nicht, straf' ich sie fürchterlich."
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Die
Eule führte drauf den Meister durch tiefe Schluchten, durch ein Tal.
Und wieder lachten alle Geister, denn für den Meister wurd's zur
Qual. "Halt an! Halt an! Du freche Eule. Wo führst du mich zum
Teufel hin?" "0 Meister, siehest du diese Säule? Dahinter wartet
dein Gewinn." D er Meister konnt es kaum erwarten am Ziel der Wanderung
zu sein. Er dacht', er hätte gute Karten. Die Eule ließ ihn
jetzt allein. Er stieß auf eine Tür aus Eisen und zog an
ihr, doch sie blieb zu. Er wollte seine Kraft beweisen, die Türe
raubte ihm die Ruh. "Geh' auf! Geh' auf! Du dumme Türe! Wo ist
mein Schatz, wo mein Gewinn?" Da halfen keine Zauberschwüre, ihm
kam die Blume in den Sinn. Er hielt sie an die Tür, die schwere,
die sich mit einmal öffnen ließ, gewahrte so der Gänge
Leere als führten sie ihn ins Verließ.
Und nach der
Leere folgte Fülle Wie strahlte es aus dem Verhau! Damit sein
Wunsch sich rasch erfülle. Ein Hoch auf Eule Morgentau! Der
Meister jauchzte und er hüpfte Die Habgier übermannte schnell.
Gold sah er, Gold! Des Reichtums Düfte betäubten ihn nun auf
der Stell'. Gold, Edelsteine und Geschmeide ... auch an den
Wänden, überall! Das war die größte Augenweide,
und in der Tat ein Sonderfall. Der Meister stopfte voll die Taschen,
er füllte sogar seinen Hut. Er nahm, was er nur konnt' erhaschen.
Das Gold! Das Gold! Wie war es gut. Er wollte schon zum Ausgang gehen,
die Taschen, Stiefel voller Gold, da ließ die Eule sich rasch
sehen, sprach drauf zum Meister, dem Unhold: "Das Beste, das hast du
vergessen, die Blume, die du grad zertratst. Versuche, Tor, dein Gold
zu essen, ich sehe zu, wenn du dran nagst. Die Schätze sind dein
ein und alles, drum schließe ich dich hiermit ein. Versteh,
für den Fall des Falles wirst du hier gut geborgen sein."
"Verflixte Eule, du gemeine! Soll ich krepieren, ist es wahr?
Willst du das Gold nicht, dieses feine? Ich schenk dir alles,
sonnenklar! Nur lass mich raus aus dem Gefängnis, brauch' keine
Schätze, abgemacht, gerate schon in arg Bedrängnis, schlag
ein, so hab' ich's ausgedacht." "So hast du falsch gedacht, o Meister
Die Schätze werden jetzt dein Grab." So freuten sich die guten
Geister . Die Bergleut' brachte es auf Trab. Da half kein Klagen und
kein Stöhnen. Der Meister, der kam nicht mehr frei Konnt' an sein
Grab sich nicht gewöhnen, den Bergleut' schien dies einerlei.
Noch heute, sagt man an dem Orte, dringt oft ein Wimmern aus dem
Berg. Der Meister ist's? ganz ohne Worte, der Eule Morgentau ihr Werk.
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