Eine Eulengeschichte - Teil 11

Waldgeheimnis


Alles war vollbracht. Doch ein wohliges Gefühl aus Stolz und Freude ließ den Mäuserich den ganzen Tag über nicht zum Schlafen kommen. Schließlich hatte er mit all den anderen Tieren erlebt, dass die Eulen doch ein Geheimnis bewahrten. Lange durch die Zeit. Und hatten sie sich nicht ihm gegenüber rechtschaffene Mühe gegeben, allen Zauberglauben um sich herum zu zerstreuen? Was ist nun wahr? Als die Abenddämmerung in den Wald fiel, beobachtet die Maus einen Menschen, der gerade seinen Wohlstandsmüll ankarrt. Plötzlich hält dieser inne, kratzt sich irritiert das schüttere Haar und schiebt sodann seine Fuhre zurück ins nahe Dorf. Irgend etwas gab ihm lautlos dieses Wegzeichen.
Nur die Maus weiß in diesem Moment, dass es das lichtgetränkte Eulenschild am Wegesrand war, das jene Umkehr auslöste. Erleichtert, weil der Zauber wirkt, tänzelt der Nager in Feierlaune über das Astwerk einer mächtigen Eiche. Sein Juchzen lockt den kindlichen Waldkauz aus der Baumhöhle im Obergeschoss: "Was feierst du?", will der Nesthocker wissen. Doch schon schwebt ein Rauhfußkauz herbei. Die Eulentante hält heute Nachtwache bei den Jungen ihrer Schwester. "Ah, der pelzige Babysitter schaut wieder einmal vorbei," huhut sie. Der Mäuserich nickt kurz und fragt unumwunden: "Eulchen, kannst du mir etwas erklären?" "Nur zu", antwortet es warmherzig. "Nächtelang war ich unterwegs, um von den Eulen Weisheit zu erben. Dabei erfuhr ich, dass alle Eulenmystik nur ängstliches Gespinst sei. Und nun hat gestern die Eulenfamilie einen mächtigen Zauber inszeniert. Was soll ich nun glauben?" Die Rauhfußkäuzin räuspert sich verlegen. "Mäuschen, nicht die Eulen. Wir sind nur die Hüter des Naturzaubers. Die Zeichen haben wir vor Generationen von den Elementargeistern bekommen. Keine Eule kann ein Symbol allein benutzen. Und nur in aller höchster Not, also wenn es um das elementare Sein des Waldes und seiner Wesen darin geht, dürfen diese helfenden Urgeister angerufen werden. Denn der Wald wird mit ihrem Zauber zum heiligen Forst, einem magischen Ort der Besinnung auf dem Weg des Lebens." Die Eule wispert die letzten Worte sehr, sehr leise, damit kein Unbefugter in das Wunder das Waldes eingeweiht wird. Der Rest ist Schweigen…